An den Schulen in Baden-Württemberg liegt der Fokus darauf, den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden. Kinder und Jugendliche sollen unterstützt werden, altersspezifische Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Sie sollen sich in ihrem täglichen Handeln als selbstwirksam erleben.
Prävention und Gesundheitsförderung zielen auf die Förderung von Lebenskompetenzen und auf die Stärkung von persönlichen Schutzfaktoren ab. Kinder und Jugendliche sollen unterstützt werden, altersspezifische Entwicklungsaufgaben bewältigen zu können.
Eine Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende Haltung des sozialen Umfelds, die es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, sich im täglichen Handeln als selbstwirksam zu erleben.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bestimmte Fähigkeiten (Lebenskompetenzen) zu körperlichem, seelischem und sozialem Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen beitragen.
Zu den zehn zentralen Lebenskompetenzen oder „Life Skills“ (WHO, 1994) gehören:
- kreatives Denken, um gute Entscheidungen zu treffen und Probleme auf eine positive Weise zu lösen;
- kritisches Denken, um Informationen und Erfahrungen objektiv zu analysieren;
- Kompetenz, Entscheidungen zu treffen, um im Alltag gut mit Entscheidungen umgehen zu können;
- Problemlösekompetenz, um Alltagsprobleme und Konflikte auf konstruktive Weise anzugehen;
- Selbstwahrnehmung, um eigene Stärken, Schwächen, Wünsche und Abneigungen besser zu verstehen;
- Empathie und Gefühlsbewältigung, um sowohl die eigenen Gefühle als auch die anderer zu verstehen und angemessen mit ihnen umzugehen;
- Stressbewältigung, um Stress im Alltag zu erkennen und Wege zu finden, ihn zu reduzieren;
- Kommunikative Fähigkeiten, um sich in verschiedenen Situationen klar und respektvoll auszudrücken;
- interpersonale Beziehungsfähigkeiten, um Freundschaften aufzubauen und zu pflegen.
Die zentrale Frage ist, was Schülerinnen und Schüler lernen müssen, um diese Lebenskompetenzen zu entwickeln.
Zentrale Lern- und Handlungsfelder
Im Rahmen der Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförderung“ werden den Lehrkräften deshalb zu den Lebenskompetenzbeschreibungen der WHO fünf zentrale Lern- und Handlungsfelder zur Verfügung gestellt.
- Selbstregulation: die Fähigkeit, Gedanken, Gefühle und Handlungen zu kontrollieren;
- ressourcenorientiertes Denken und Problemlösen: die Fähigkeit, Probleme positiv anzugehen und nach Lösungen zu suchen;
- wertschätzende Kommunikation und Handeln: sich respektvoll und freundlich gegenüber anderen verhalten;
- lösungsorientierte Bewältigung von Konflikten und Stress: auf konstruktive Weise mit Konflikten und Stress umgehen;
- Aufbau und Pflege von Kontakten und Beziehungen: die Fähigkeit, gute Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und zu erhalten.
Die genannten Bereiche sind eng mit den allgemeinen Bildungszielen verbunden und sollten daher Teil des Schullebens sein, um die Entwicklung von Lebenskompetenzen zu fördern.
Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist in der Schule von besonderer Bedeutung. Das betrifft nicht nur das Lernen in den verschiedenen Fächern, sondern auch das soziale und emotionale Lernen während der gesamten Schulzeit.
Selbstregulation kann sogar dazu beitragen, den langfristigen Erfolg von Schülerinnen und Schülern vorherzusagen. Das liegt vermutlich daran, dass Schülerinnen und Schüler oft viele Dinge gleichzeitig bewältigen müssen, wie zum Beispiel, die richtigen Stifte aus dem Mäppchen auszuwählen, im Unterricht zuzuhören und Ablenkungen durch Mitschülerinnen und Mitschüler zu ignorieren.
Selbstregulation bedeutet, dass man seine eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen kontrollieren und steuern kann. Diese Fähigkeit ist in allen Phasen des Lernens wichtig: beim Planen, Ausführen und Bewerten. Sie beinhaltet die Kontrolle über die Verarbeitung von Informationen, den Lernprozess sowie die eigenen Gefühle, Motivationen und Entscheidungen.
Die Selbstregulation von Schülerinnen und Schülern beruht unter anderem auf kognitiven Prozessen. Sie kann den exekutiven Funktionen zugeordnet werden. Zu diesen gehören unter anderem das Arbeitsgedächtnis, die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit flexibel auf verschiedene Aufgaben zu lenken, und die Fähigkeit, impulsives Verhalten zu unterdrücken.
Es ist ein zentraler Auftrag der Schule, die Entwicklung und Förderung der Selbstregulationskompetenz zu unterstützen.
Die Kinder und Jugendlichen nutzen ihre Ressourcen, wie zum Beispiel eigene Normen und Werte, um problematische Situationen konstruktiv, kreativ aber auch kritisch zu analysieren.
Daraufhin treffen sie Entscheidungen und schlagen eigene Lösungswege ein.
Die Kinder und Jugendlichen erfassen andere Sichtweisen und lassen diese neben der eigenen stehen.
Sie setzen nonverbale und verbale Kommunikation wertschätzend im sozialen Miteinander ein.
Die Kinder und Jugendlichen erkennen, wie Konflikte und Stress im Alltag entstehen und welche Auswirkungen sie haben.
Sie handeln in Konflikt- und Stresssituationen zum Wohle der eigenen psychischen und physischen Gesundheit und der Gesundheit anderer.
Die Kinder und Jugendlichen verstehen sich als Individuum und als Teil einer Gruppe.
Sie wirken eigenverantwortlich und tragen dazu bei, die Kontakte und Beziehungen innerhalb der Klassengemeinschaft zu festigen.
Eine wichtige Fähigkeit in diesem Zusammenhang ist, sich in andere hineinzuversetzen.
Resilienz
Resilienz bezieht sich auf die Frage, wie man mit Krisen oder schwierigen Situationen umgeht und wie gut man sich an solche Veränderungen anpassen kann. Resilient sein bedeutet, widerstandsfähig und flexibel zu sein, selbst wenn es schwierig ist.
Resilienzfaktoren
Nach Wustmann (2004) sind Resilienzfaktoren Eigenschaften, die Kinder und Jugendliche in der Interaktion mit der Umwelt und durch die erfolgreiche Bewältigung von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben erwerben.
Dazu gehören:
- Selbst- und Fremdwahrnehmung,
- Selbststeuerung,
- Selbstwirksamkeit/Selbstwirksamkeitserwartung,
- soziale Kompetenzen,
- Umgang mit Stress,
- Problemlösen,
- kognitive Flexibilität.
In dem Wissen, dass Gesundheit und Resilienz Voraussetzung, Ressource und Ergebnis erfolgreicher Bildungs- und Erziehungsprozesse sind, zielen alle Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) auf eine Stärkung der Lebenskompetenzen und der Resilienz von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften ab.
Grundprävention
Zusätzlich zu den persönlichen und sozialen Lernbereichen, die die Schüler durchlaufen, ist es wichtig, dass Lehrkräfte grundlegende Maßnahmen ergreifen, um eine positive Entwicklung der Persönlichkeit und eine erfolgreiche Schullaufbahn zu fördern. Diese sogenannte Grundprävention ist das Fundament der positiven Persönlichkeitsentwicklung.
Themenspezifische Prävention (Primärprävention)
Ein weiterer Ansatz ist die themenspezifische Prävention (Primärprävention), die alle Maßnahmen umfasst, die unternommen werden, bevor Probleme entstehen. Sie dient der Gesunderhaltung.
Zur Primärprävention gehören die Themen Prävention von Gewalt und Mobbing oder Suchtprävention.
Verankerung auf allen Ebenen des Schulsystems
Damit Prävention und Gesundheitsförderung wirksam sind, müssen Maßnahmen auf allen Ebenen des Schulsystems verankert werden:
- Schulebene,
- Ebene der Klassengemeinschaft und
- Ebene des Individuums.
Alle am Schulleben Beteiligten sollten einbezogen werden.
Präventionskonzept „stark.stärker.WIR.“
Das Präventionskonzept „stark.stärker.WIR.“ bietet Schulen einen Rahmen und Werkzeuge, um gezielt, systematisch und nachhaltig präventiv arbeiten zu können.
Erst die Verzahnung von Grundprävention, Primärprävention und zentralen Lern- und Handlungsfeldern sowie die Verankerung auf allen schulischen Ebenen ermöglicht eine dauerhafte und wirksame Prävention und Gesundheitsförderung an Schulen.
Verwaltungsvorschrift „Prävention und Gesundheitsförderung“
Die Verwaltungsvorschrift „Prävention und Gesundheitsförderung“ beschreibt Ziele und Vorgehensweisen in der schulischen Prävention. Sie hat das Ziel, bei Kindern und Jugendlichen langfristig Schutzfaktoren zu entwickeln und zu fördern. Hierzu zählen Einstellungen und Handlungskompetenzen. Mit diesen können alltägliche Lebensprobleme gelöst und schwierige Situationen bewältigt werden.
Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförderung“
Die Bildungspläne 2016 der allgemein bildenden Schulen Baden-Württembergs beinhalten nicht nur Unterrichtsinhalte und Kompetenzen. Die verbindliche Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförderung“ (PG) verankert das Thema in allen Fächern. Sie fokussiert die Stärkung der Persönlichkeit durch die Förderung eines sozial kompetenten und gesundheitsbewussten Umgangs mit sich selbst und anderen.