Prävention von sexualisierter Gewalt
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind in Deutschland statistisch gesehen in jeder Klasse ein bis zwei Schülerinnen und Schüler von sexualisierter Gewalt betroffen. Deswegen kommt dem Ort Schule eine besondere Bedeutung in seiner Fürsorgepflicht zu. Denn Schule muss ein sicherer Ort sein, in dem Schülerinnen und Schüler ohne Angst vor Gewalt jeglicher Art leben und lernen können. Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt dienen dazu, diese Aufgabe wirksam zu erfüllen.
Erarbeitung eines Schutzkonzeptes
Mit der Erarbeitung eines „Schutzkonzeptes gegen sexualisierte Gewalt an Schulen“ wird ein Entwicklungsprozess in Gang gesetzt, bei dem alle Beteiligten des Schullebens eingebunden sind. Dafür gibt das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) den Schulen mit dem in Moodle eingerichteten Serviceportal „Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt an Schulen“ die nötige Orientierung und Unterstützung. Die Anmeldedaten zum Serviceportal in Moodle werden den Schulleitungen zur Verfügung gestellt.
Keine Schule fängt bei null an!
Keine Schule fängt bei null an. Jede Schule hat bereits Strukturen und Angebote, die in die Schutzkonzeptentwicklung eingebunden oder angepasst werden können. Anknüpfungspunkte können zum Beispiel Präventionsangebote oder bereits bestehende Kooperationen sein, die eine gute Ausgangsposition darstellen.
Im Serviceportal befinden sich entsprechende Materialien und Tools, mit denen Sie hier niederschwellig Orientierung finden.
Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt bestehen aus verschiedenen, ineinandergreifenden Maßnahmen an Schulen, um Schülerinnen und Schüler vor sexualisierten Übergriffen zu schützen.
- Schule soll Schutzort sein:
Schutzkonzepte sollen nicht nur Missbrauch in der Schule verhindern, sondern auch sicherstellen, dass Schülerinnen und Schüler, die anderswo Missbrauch erleben, in der Schule erkannt werden und Hilfe finden. - Schule soll kein Tatort werden:
Schutzkonzepte sollen das Risiko von sexualisierten Gewaltübergriffen an Schule verringern und sicherstellen, dass die Schule für alle ein sicherer Ort zum Lernen ist. - Schule soll Kompetenzort sein:
Alle am Schulleben Beteiligten sollen über grundlegendes Wissen verfügen. Es muss bewusst werden, dass Täterinnen und Täter nie zufällig handeln, sondern immer planvoll vorgehen. Täterinnen und Täter nutzen ihre Machtposition strategisch und systematisch aus, um ihre Opfer gefügig zu machen.
Handlungsleitend für die Entwicklung eines Schutzkonzeptes sind die Empfehlungen der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) („Schule gegen sexuelle Gewalt. Fachportal für Schutzkonzepte“) und der Kultusministerkonferenz (KMK) (Seite „Prävention von Gewalt und sexuellem Missbrauch“).
Die KMK hat auf der Basis der einzelnen Schutzkonzept-Elemente der UBSKM den praxisorientierten Leitfaden „Kinderschutz in der Schule“ (PDF-Datei) mit dem Ziel erarbeitet, die Arbeit mit Schutzkonzepten im Schulalltag zu erleichtern und Schulen bei der Umsetzung in ihrer praktischen Arbeit zu unterstützen. Dieser Leitfaden zeigt fundiert und praxisnah Wege auf, wie der Prozess zu einem wirksamen Schutzkonzept an Schulen niederschwellig gelingen und mehr Handlungssicherheit an den Schulen entstehen kann.
Die Bundesinitiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hat in Kooperation mit den Kultusverwaltungen der einzelnen Bundesländer folgende Elemente erarbeitet. Diese sind der bundesweite Standard und haben sich bewährt.
Zur Einführung können Sie sich einen kurzen Film zu den Elementen eines Schutzkonzeptes (YouTube) ansehen.
Elemente eines Schutzkonzeptes
- Leitbild
Der Schutz von Schülerinnen und Schülern vor sexualisierter Gewalt sollte im Leitbild der Schule oder im Schulprogramm verankert werden. - Interventionsplan
Ein Plan für das Vorgehen in einem Verdachtsfall von sexualisierter Gewalt bietet allen schulischen Beschäftigten die erforderliche Orientierung und Sicherheit. Er enthält auch ein Rehabilitationsverfahren für den Fall eines ausgeräumten Verdachts. - Kooperation
Die Unterstützung durch externe Fachleute ist im Verdachtsfall sowie bei der Entwicklung eines Schutzkonzepts unentbehrlich. - Personalverantwortung
Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt ist „Chefsache“. Die Leitung kann ihre Personalverantwortung schon bei Einstellungen entsprechend nutzen. Im Schulalltag ist die Leitung mit ihrer „kinderschutzaffinen“ Haltung Vorbild und drückt damit zugleich ihre Erwartung an das Kollegium aus. - Fortbildungen
Basiswissen über sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist für alle schulischen Beschäftigten unerlässlich. Fortbildungen tragen zur Sensibilisierung bei und sind der richtige Ort, wenn es darum geht, Verunsicherungen und Fragen anzusprechen.
- Verhaltenskodex
Verbindliche Vereinbarungen im Kollegium zum Umgang mit Risikosituationen erhöhen die Schwellen für geplante Taten und helfen allen: Sie schützen Schülerinnen und Schüler vor sexualisierter Gewalt und geben Beschäftigten Orientierung und Rückhalt – und schützen so vor falschem Verdacht. - Partizipation
Schulische Mitbestimmung stärkt Kinder und Jugendliche. Eine beteiligungsorientierte Schule erleichtert Schülerinnen und Schülern den Zugang zu Kinderrechten und ermutigt sie, sich bei Problemen Hilfe und Unterstützung zu holen. - Präventionsangebote
Schule ist der Ort, der durch eine gelebte präventive Erziehungshaltung und konkrete Präventionsangebote den Schutz aller Schülerinnen und Schüler vor sexualisierter Gewalt erhöhen kann. - Ansprechstellen und Beschwerdestrukturen
Eine Schule mit funktionierenden Beschwerdeverfahren trägt Entscheidendes dazu bei, dass sich Schülerinnen und Schüler mit ihren Anliegen wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen. Vertrauenslehrkräfte, Angebote der Schulsozialarbeit und andere Ansprechstellen sind ein wichtiges Signal an Schülerinnen und Schüler in Notlagen.
(Quelle: Schule gegen sexuelle Gewalt. Fachportal für Schutzkonzepte: Seite „Bestandteile“.)
Schutzkonzepte umfassen den digitalen Raum
- Schutzkonzepte umfassen auch immer den digitalen Raum. Hinweise und Anregungen sowie weitere Informationen zur Vertiefung und Umsetzung finden Sie auf dem Internetauftritt „Kein Raum für Missbrauch“, herausgegeben von der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (UBSKM).
- Der Flyer „Wie gehen wir an, was alle angeht?“ (PDF-Datei) steht auf „Schule gegen sexuelle Gewalt. Fachportal für Schutzkonzepte“ zum Download zur Verfügung oder kann bestellt werden.
- Ebenso steht dort ein Übersichtsplakat „Bestandteile eines wirksamen Schutzkonzeptes in Schulen“ (PDF-Datei) als Download zur Verfügung oder kann bestellt werden.
Weitere Informationen finden Sie auf dem Serviceportal „Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt an Schulen“.
Damit Schulen die Umsetzung des Schutzkonzeptes leichter in Angriff nehmen können, wird im folgenden Abschnitt der Gesamtprozess in einzelne Handlungsschritte aufgeteilt und strukturiert.
Das Vorgehen entspricht den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK), siehe Leitfaden „Kinderschutz in der Schule“ (PDF-Datei), Seite 17 bis 27.
Im Serviceportal sind vertiefte Informationen zum Vorgehen, Materialien und Tools zur Umsetzung enthalten.
1. Schulleitung startet Prozess
Die Schulleitung ist verantwortlich für die Umsetzung des Prozesses und startet ihn im Rahmen einer Schulkonferenz. Hierbei wird der Auftrag erklärt und konkretisiert. Für den Schulentwicklungsprozess wird eine Steuergruppe beziehungsweise eine Planungsgruppe eingesetzt, die sich zunächst fachlich fortbildet.
2. Steuergruppe − schulinterne Potenzial- und Risikoanalyse
Die Steuergruppe beginnt mit einer schulinternen Potenzial- und Risikoanalyse unter Einbindung des Kollegiums, aller weiterer an Schulen Beschäftigter, der Elternschaft sowie der Schülerinnen und Schüler. Im Sinne einer Bestandsanalyse werden alle Präventionsmaßnahmen oder -strukturen gesichtet und bewertet, auf die gegebenenfalls im Konzept aufgebaut werden kann. In der darauffolgenden Risikoanalyse werden Situationen geprüft, die Risiken und Gefahrenpotenziale im Schulalltag enthalten können, in denen es zu sexualisierten Übergriffen kommen kann. Die Ergebnisse sind Ausgangsbasis für die Konzeptentwicklung.
3. und 4. Planung und Durchführung eines pädagogischen Tages
Ziel des pädagogischen Tages ist, die Schulgemeinschaft zu sensibilisieren und alle Beteiligten mitzunehmen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Potenzial- und Risikoanalyse sollen konkrete Maßnahmen herausgearbeitet und klar kommuniziert werden. Am Ende des pädagogischen Tages sollten erste konkrete Umsetzungsschritte festgehalten sein, hinter denen alle Beteiligten stehen.
5. Entwicklung eines Entwurfs des Schutzkonzeptes
Die Ergebnisse des pädagogischen Tages werden durch die Steuergruppe ausgewertet und weiterentwickelt. Dies mündet in einen ersten Entwurf des Schutzkonzeptes. Ziel ist, das Schutzkonzept der Schulkonferenz und weiteren Gremien an der Schule zur Optimierung und Beschlussfassung vorzulegen.
6. Diskussion und Beschlussfassung in der Schulkonferenz
Die Steuergruppe stellt den Entwurf des Konzepts vor. Im Rahmen der Diskussion werden die Anregungen aufgenommen. Nach Beschlussfassung in der Schulkonferenz kann die Umsetzung erfolgen.
7. Umsetzung und Weiterentwicklung des Konzepts
Mit der Kommunikation des beschlossenen Schutzkonzeptes gegenüber der Schulgemeinschaft beginnt die Umsetzung und die Integration in den Schulalltag. Es gilt nun, das Schutzkonzept mit Leben zu füllen. Der sensible und achtsame Umgang mit Signalen oder Verhaltensänderungen ist eine Daueraufgabe, ebenso die stetige Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Haltung.
8. Überprüfung der Wirksamkeit
Um Schutzkonzepte an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, sollten sie nach einer gewissen Zeit überprüft werden. Dies kann im Austausch der Steuergruppe oder in Arbeitsgruppen geschehen oder aber mittels interner Schulbefragungen oder Evaluationstools. Materialien und Instrumente dafür stehen im Serviceportal zur Verfügung.
Zur Umsetzung von Schutzkonzepten stehen auf dem Serviceportal unterschiedliche Unterstützungsmaßnahmen für Prävention und Intervention bereit:
Ansprechpersonen
Für weitere Informationen können Sie sich an die Referentinnen und Referenten für Prävention und Gesundheitsförderung in den Regionalstellen des ZSL wenden.
Praktische Umsetzung an Schulen
Im Serviceportal sind zahlreiche Informationen und Materialien verfügbar, die bei der Entwicklung eines Schutzkonzeptes gegen sexualisierte Gewalt nützlich sein können, beispielsweise:
- Materialien zur Umsetzung der einzelnen Handlungsschritte, zum Beispiel:
- Checkliste zur Potenzialanalyse,
- Kooperationsverzeichnis,
- Projektplan,
- Wortbausteine zur Leitbildentwicklung,
- beispielhafter Ablaufplan eines Pädagogischen Tages,
- Selbstverpflichtungserklärungen,
- Fragebogen für Schülerinnen und Schüler et cetera.
-
Unterrichtsmaterialien sortiert nach Schularten, zum Beispiel:
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Spiele,
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Übungen,
-
Quiz,
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Plakate,
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Broschüren,
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Podcasts,
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Filme.
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-
Anknüpfungspunkte in den Bildungsplänen der unterschiedlichen Schularten.
Fortbildungen des ZSL
Das ZSL stellt für verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Fortbildungen zur Verfügung.
- Für Schulleitungen und Lehrkräfte stehen in LFB-Online Fortbildungen rund um das Thema sexualisierte Gewalt und zur Entwicklung von Schutzkonzepten zur Verfügung. Sie finden die Beschreibungen auf dem Serviceportal, sortiert nach Zielgruppen und Schularten.
- Für Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigte sowie für an Schulen Beschäftigte werden die entsprechenden Angebote zu Informationsveranstaltungen im Frühsommer auf der Website des ZSL veröffentlicht. Die Veranstaltungen sind kostenfrei.
Digitale Fortbildungsangebote
Folgende digitale Fortbildungsangebote richten sich an pädagogisches Fachpersonal und geben einen guten Einblick:
- „Was ist los mit Jaron?“ ist ein niederschwelliges Angebot, um das Thema sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen kennenzulernen. Der Online-Kurs ist kostenfrei und für Grundschulen und weiterführende Schulen konzipiert (circa vier Stunden Zeitaufwand). Einblicke erhalten Sie im kurzen Überblicksfilm (YouTube).
- „Sexueller Missbrauch und sexuelle Übergriffe – Kinderschutz aus Sicht der Schule“: Der Online-Kurs des Universitätsklinikums Ulm vermittelt einen vertieften Einblick in das Thema mit Videoclips und praktischen Fallbeispielen (circa 40 Stunden Zeitaufwand).
Unterstützungsleistung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
Sie haben Anspruch auf eine kostenfreie anonyme Beratung einer insoweit erfahrenen Fachkraft (ieF) nach § 4 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und § 8 a und b Sozialgesetzbuch (SGB) VIII. Nutzen Sie diese, wenn Sie unsicher sind und eine professionelle Unterstützung brauchen.
Auf dem Serviceportal gibt es weitere Informationen, zum Beispiel zu folgenden Themen:
- Was tun im Verdachtsfall?
- Gibt es bei Kindern Anzeichen für einen sexuellen Missbrauch?
- Gesprächsführung im Verdachtsfall,
- Unterstützung bei der Krisennachsorge.
Informationen zu Kinder- und Jugendpornografie
Kinder- und Jugendpornografie ist verboten und wird bestraft. Dies umfasst die Herstellung, die Verbreitung, den Besitz und den Konsum von pornografischem Material, das Minderjährige betrifft. Kinder und Jugendliche teilen oftmals in sozialen Kanälen oder auch Klassenchats kinder- und jugendpornografische Bilder und andere Inhalte, ohne zu wissen, dass dies strafbar ist. Damit kommen auch Lehrkräfte immer wieder in Berührung, wenn entsprechendes Foto- oder Filmmaterial zum Beispiel im Klassenchat auftaucht.
Weitere Informationen sind auf der Seite „Sexualität und Pornografie“ des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg (LMZ) zu finden.
Intervention: Was ist im Ernstfall zu tun?
Der Umgang mit sexualisierten Grenzverletzungen und Übergriffen sorgt oft für Unsicherheit. Interventions- oder Notfallpläne können Schulleitungen, Lehrkräften und anderen Schulmitarbeitenden dabei helfen, im Falle eines Verdachts sicherer zu handeln.
Mit dem „Leitfaden zum Interventionsplan“ des Kultusministeriums können Schulen ihre bereits vorhandenen Interventionspläne abgleichen oder bei einem noch zu erstellenden Interventionsplan an der eigenen Schule hilfreiche Informationen und Handlungsoptionen für das konkrete Vorgehen bei Verdachtsfällen finden.
- den „Leitfaden zum Interventionsplan“ des Kultusministeriums sowie
- Informationen zu Hotlines,
- Links zu Ansprechpersonen
- und vieles mehr.
Die Anmeldedaten zum Serviceportal werden den Schulleitungen zur Verfügung gestellt.
Hilfe anonym
Schnelle und einfache Hilfe (anonym und kostenfrei für betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene) finden Sie mittels der Datenbank auf dem „Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch“.
Hilfe-Telefon
- Das Hilfe-Telefon „Sexueller Missbrauch“ berät anonym, kostenfrei, mehrsprachig und in Deutscher Gebärdensprache: .
- Das Hilfe-Telefon „Sexueller Missbrauch“ unterstützt auch online Jugendliche, Erwachsene oder Fachkräfte.
Juuuport
Juuuport bietet Unterstützung von Jugendlichen für Jugendliche bei allen Problemen im Netz, zum Beispiel bei
- Cybermobbing,
- Sextortion,
- Cybergrooming,
- Mediensucht,
- Fake News oder
- Abzocke.