Am 11. November 2025 setzte die Regionalstelle Mannheim mit dem Fachtag „KI im Deutschunterricht“ (LFB-Online-Nummer RPPLP4) in der Sauerstiftung Lobbach ein deutliches Signal: Künstliche Intelligenz ist im schulischen Alltag angekommen – und ihre sinnvolle, pädagogisch verantwortete Nutzung im Deutschunterricht der Sekundarstufe I wird zur gemeinsamen Aufgabe von Lehrkräften, Fachberater:innen, Multiplikator:innen und Wissenschaft. Knapp 100 Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, sich einen fundierten Überblick über aktuelle KI-Werkzeuge zu verschaffen, konkrete Unterrichtsideen kennenzulernen und gemeinsam über Chancen und Grenzen der neuen Technologien nachzudenken.
Von Beginn an war spürbar, wie sorgfältig das Vorbereitungsteam um die Hauptverantwortliche Imke Köster den Tag konzipiert hatte. Bereits die Eröffnung machte deutlich, worum es gehen sollte: nicht um Technik um ihrer selbst willen, sondern um die Frage, wie KI-Werkzeuge dazu beitragen können, den Deutschunterricht adaptiver zu gestalten, Basiskompetenzen in Lesen und Schreiben („Starke Basis!“) zu sichern und zugleich Anforderungen der Digitalisierung und Medienbildung („Bildung in der digitalen Welt“) ernst zu nehmen. Die klare Struktur des Programms, die transparente Organisation der Workshopwahl und ausreichend Zeit für Austausch sorgten dafür, dass sich die Teilnehmenden schnell in einer lernförderlichen Arbeitsatmosphäre wiederfanden.
Einen ersten inhaltlichen Rahmen setzte Benedikt Sauerborn, Leiter des KI-Zentrums Heilbronn. Er zeichnete nach, wie sich generative KI-Modelle derzeit entwickeln, welche konkreten Anwendungsfelder für Schulen bereits absehbar sind und warum die pädagogische Verantwortung trotz aller technischen Faszination immer bei den Lehrkräften bleiben muss. Besonders überzeugend war, dass Sauerborn technische Hintergründe und didaktische Fragen eng miteinander verknüpfte. Damit legte er ein gedanklich tragfähiges Fundament für den weiteren Verlauf des Fachtags.
Im Anschluss rückte der Literaturunterricht in den Mittelpunkt – und mit ihm die Frage, wie KI als zusätzlicher Gesprächspartner im Deutungsprozess genutzt werden kann, ohne die Eigenleistung der Schülerinnen und Schüler zu schwächen. Besonders eindrucksvoll gelang dies im gemeinsamen Beitrag von Prof. Scherf (Pädagogische Hochschule Heidelberg) und Dr. Magirius (Universität Erfurt). Sie demonstrierten, wie KI-Chatbots im Literaturunterricht zum Einsatz kommen können: als Dialogpartner, der Figurenperspektiven simuliert; als Ideengeber für alternative Enden oder Perspektivwechsel; als Sparringspartner, dessen Interpretationsvorschläge von den Lernenden geprüft, weitergedacht oder bewusst verworfen werden. Entscheidend war dabei die klare Botschaft der beiden Wissenschaftler: KI darf nicht zur „Interpretationsabkürzung“ werden. Sie soll vielmehr Anlässe für vertiefte Auseinandersetzung mit Texten bieten und Schülerinnen und Schüler dazu anregen, Antworten der KI argumentativ zu hinterfragen und eigene Positionen zu entwickeln. Damit zeigten Scherf und Magirius beispielhaft, wie literarische Kompetenz, Urteilsbildung und Medienbildung in innovativen Unterrichtssettings produktiv miteinander verschränkt werden können.
Nach diesen plenaren Impulsen bot der Nachmittag Raum für Vertiefung in drei Workshops, aus denen sich die Teilnehmenden ihr individuelles Fortbildungsprofil zusammenstellten. Im Workshop von Jasmin van Bebber stand die Frage im Mittelpunkt, wie KI-gestützte Feedbackinstrumente den Schreibunterricht unterstützen können. Anhand konkreter Schülertexte wurde deutlich, wie KI differenziertes, lernförderliches Feedback zu Struktur, Sprache und Rechtschreibung geben kann und wie Lehrkräfte diese Rückmeldungen didaktisch filtern, gewichten und in ihre eigene Beurteilung integrieren. Ein besonderer Fokus lag darauf, Schülerinnen und Schüler nicht zu bloßen „Empfänger:innen“ von Korrekturvorschlägen zu machen, sondern sie zu befähigen, Rückmeldungen zu verstehen, kritisch zu prüfen und für Überarbeitungsprozesse nutzbar zu machen. So wurde anschaulich, wie KI im Schreibunterricht als zusätzlicher „Coach im Hintergrund“ wirken kann – immer eingebettet in ein pädagogisch reflektiertes Setting.
Greta Francke nahm in ihrem Workshop eine eher grundsätzliche Perspektive ein: Welche Kompetenzen brauchen Lernende, um mit KI souverän umgehen zu können? Ausgehend von einer verständlichen Erläuterung zentraler Funktionsweisen generativer Modelle leitete sie ab, welche Fähigkeiten im Deutschunterricht gezielt gefördert werden müssen: präzises Formulieren von Eingaben, kritisches Lesen und Hinterfragen von KI-Texten, der reflektierte Umgang mit Sprache und Quellen sowie die Fähigkeit, eigene Kriterien für Qualität und Angemessenheit von Texten zu entwickeln. Immer wieder zeigte sie auf, wie diese Kompetenzen in bestehenden Unterrichtsvorhaben verankert werden können und wie eng sie mit der Sicherung einer „starken Basis“ im Lesen und Schreiben verzahnt sind. Die Botschaft war klar: Erst wenn grundlegende Sprach- und Lesekompetenzen gesichert sind, kann KI ihre unterstützende Wirkung im Unterricht wirklich entfalten.
Eine weitere wichtige Perspektive eröffneten Katharina Valentin und Christina Groll mit ihrem Workshop zur Nutzung von KI als Unterstützung auf „Lehrerebene“, also in der Unterrichtsvorbereitung. Sie zeigten praxisnah, wie KI Lehrkräfte bei der Ideenfindung für Aufgabenformate, bei der Anpassung von Texten an unterschiedliche Leistungsniveaus oder beim Entwurf von Arbeitsblättern, Erwartungshorizonten und Feedbackbausteinen entlasten kann. Gleichzeitig verdeutlichten sie, dass die Ergebnisse der KI immer nur Ausgangspunkte sind, die von der professionellen Expertise der Lehrkraft überprüft, weiterentwickelt und an die konkrete Lerngruppe sowie die schulischen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. In Arbeitsphasen mit eigenen Beispielen erlebten die Teilnehmenden sehr konkret, wie aus KI-generierten Entwürfen durch pädagogisches Fachwissen didaktisch tragfähige Materialien werden.
Zwischen den inhaltlichen Blöcken waren bewusst großzügige Pausen und Austauschzeiten eingeplant, die von den Teilnehmenden intensiv genutzt wurden. In Gesprächen bei Kaffee und kleinem Imbiss wurden Unterrichtsideen weiterentwickelt, Erfahrungen aus verschiedenen Schularten verglichen und Möglichkeiten ausgelotet, wie Schulen Aspekte der KI-Nutzung im Deutschunterricht in ihre Schulcurricula und Medienbildungskonzepte integrieren könnten. Viele nutzten die Gelegenheit auch, um Kontakte zu knüpfen oder bestehende Kooperationen zu vertiefen – ein Hinweis darauf, dass der Fachtag nicht nur fachlich, sondern auch netzwerkbildend wirkte.
Besonders positiv hervorgehoben wurde im Abschlussplenum die enge und produktive Zusammenarbeit von Lehrerfortbildung und Wissenschaft. Das KI-Zentrum Heilbronn, die PH Heidelberg und die Universität Erfurt brachten ihre Expertise ein und trafen auf Fachberater:innen, Multiplikator:innen und Lehrkräfte, die diese Impulse unmittelbar mit Blick auf ihre Unterrichtspraxis in der Sekundarstufe I durchbuchstabierten. Diese Verbindung von wissenschaftlicher Fundierung, praxisnaher Fortbildung und schulischer Realität wurde von vielen Teilnehmenden als besondere Stärke des Fachtags erlebt.
Am Ende des Tages stand ein klarer Befund: KI kann im Deutschunterricht und in der Unterrichtsvorbereitung eine wertvolle Helferin sein – vorausgesetzt, sie wird in klare pädagogische und didaktische Leitplanken eingebettet. Sie ermöglicht adaptivere Lernangebote, erleichtert die Individualisierung von Aufgaben, eröffnet neue Formen der Auseinandersetzung mit Texten und bietet Chancen für zeitnahes, differenziertes Feedback. Gleichzeitig bleibt sie ein Werkzeug, das kritisch geprüft, bewusst eingesetzt und pädagogisch gerahmt werden muss. Der Fachtag „KI im Deutschunterricht“ in Lobbach hat eindrucksvoll gezeigt, wie diese Balance gelingen kann. Dank des hervorragend organisierten Vorbereitungsteams um Imke Köster, der fundierten Impulse von Benedikt Sauerborn, Prof. Scherf und Dr. Magirius sowie der praxisnahen Workshops von Jasmin van Bebber, Greta Francke, Katharina Valentin und Christina Groll bleibt er als Tag in Erinnerung, der Mut macht, KI im Deutschunterricht kritisch, kreativ und professionell weiterzudenken.




