Am 19. und 20. September 2025 wurde die Comburg in Schwäbisch Hall zum Treffpunkt für rund 80 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Schulaufsicht und Praxis. Eingeladen hatte das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg in Kooperation mit der aim – Akademie für Innovative Bildung und Management Heilbronn-Franken gemeinnützige GmbH.
Unter dem Titel „Science and Practice Meet John Hattie“ („Wissenschaft und Praxis treffen John Hattie“) diskutierten internationale Bildungsforschende und Personen aus der Praxis über die wirksame Nutzung wissenschaftlicher Evidenz für Schule und Unterricht.
Prof. John Hattie: Konzept des „Visible Learning“
Prof. Dr. John Hattie betonte, dass Schulen über viele Daten verfügten – doch entscheidend sei, wie diese interpretiert und genutzt würden. Nicht Effektgrößen allein zählten, sondern das Verständnis, warum etwas wirke.
Es müsse immer um das Lernen der Schülerinnen und Schüler gehen, um das individuelle Wachstum: „Look through the eyes of students.“
John Hatties fünf Fragen als Leitfaden
Die „fünf Fragen“ aus Prof. Dr. John Hatties Konzept des „Visible Learning“ („Sichtbares Lernen“) können ein Leitfaden für eine wirksame Unterrichtspraxis und für eine evidenzbasierte Reflexion sein:
- What was the problem? (Welches Problem lag vor?)
- What did we do? (Was haben wir unternommen?)
- What happened? (Was ist geschehen? Welche Wirkung hatte es?)
- What do we do next? (Wie geht es weiter? Welche nächsten Schritte folgen?)
- How do we know? (Woher wissen wir das? Welche Evidenz haben wir?)
Weitere Inhalte der Tagung
- Prof. Dr. Jens Möller hob hervor, dass Leistungsorientierung, Selbstkonzept und Motivation nicht im Kontrast zueinander stünden, sondern sich gegenseitig verstärkten. Effektiver Unterricht fördere alle drei Dimensionen, indem er Erfolge sichtbar mache und Lernende zum aktiven Gestalten befähige.
- Prof. Dr. Cornelia Gräsel und Marco Haaf erinnerten daran, dass Schulen zwar viele Daten erheben, diese aber oft nicht lernwirksam genutzt würden. Die Kernaufgabe sei, die richtigen Daten zu identifizieren: solche, die zeigten, ob Unterricht wirklich wirke und Schülerinnen und Schüler lernten.
- Mut war ein wiederkehrendes Schlagwort: Mut, unbequeme Ergebnisse als Lernchance zu begreifen, und Mut, professionelle Expertise der Lehrkräfte anzuerkennen. Prof.Dr. Dr.h.c. Eckhard Klieme und der Präsident des ZSL, Prof. Dr. habil. Thomas Riecke-Baulecke, mahnten, anstelle fragmentierter Reformen eine kohärente Strategie für Unterrichtsqualität zu entwickeln und vor allem den Blick auf die Reduzierung der Risikogruppen zu richten.
- Dr. Thorben Jansen zeigte, wie KI-gestützte Methoden wie „Large Language Models“ Bildungsforschung beschleunigen können.
- Ein Ziel aus der Bildungsforschung sei es laut Dr. Tim Fütterer, KI-Algorithmen zur Vorhersage evidenzbasierter Lehrqualitätsmerkmale zur Anwendungsreife zu bringen.
- Die Impulse der Tagung spiegelten zentrale Programme und Initiativen des Landes wider: So stellte Dr. Ulrike Rangel den Referenzrahmen Schulqualität und Prof. Dr. Benjamin Fauth den Unterrichtsfeedbackbogen vor – beides erfolgreiche Instrumente für die Praxis.
Ergebnisse der Tagung
Die Tagung auf der Comburg machte deutlich: Die Zukunft von Schule entsteht nicht durch immer mehr Daten oder kurzfristige Projekte, sondern durch Mut, Kohärenz, eine Kultur des Vertrauens, die Bereitschaft die richtigen Daten zu nutzen und vor allem durch den Blick auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler.
Leistungsorientierung, Selbstkonzept und Motivation stellen keine Gegensätze dar, sondern sind sich gegenseitig verstärkende Erfolgsfaktoren.
Und vor allem: „Schools should be inviting places pupils love to come to.“ („Schulen sollten einladende Orte sein, zu denen Schülerinnen und Schüler sehr gerne kommen.“, nach Prof. Dr. John Hattie)
Prof. Dr. habil. Thomas Riecke-Baulecke hielt als ein Ergebnis fest, dass es darauf ankomme, konsequent den Fokus auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler zu legen – sowohl in der Schule als auch in der Forschung. „Erfolgreiche Projekte erfordern klare Ziele, eine kohärente Strategie, kontinuierliche Vergewisserung durch Evaluation und eine Kultur sowohl der Wertschätzung als auch der Disziplin.“